Die Vor- und Nachteile von Home Office

Home office aktuell

Nachdem auf Grund von Corona Home Office defacto für viele zum Zwang, oft zum Segen und später zur Gewohnheit geworden ist, beginnen jetzt viele Unternehmen retour zu rudern und die Mitarbeiter wieder verpflichtend ins Büro zu holen.

Das lässt in vielen Fällen die Wogen hoch gehen und führt in manchen Unternehmen sogar zum mehr oder weniger offenem Krieg. 

Die Zahlen, Daten und Fakten zur Sinnhaftigkeit von Home Office sind unterschiedlich. Auf der einen Seite berichten Studien davon, dass die Produktivität im Home Office zunimmt, auf der anderen Seite berichten Angestellte selbst, dass sie oft viel der eigentlichen Arbeitszeit für andere Zwecke nutzen und ihre Produktivität nachhaltig abgenommen hat. 

Der Standard hat hierzu sowohl Interviews geführt, wie auch einen Artikel zur Produktivität veröffentlicht. 

Meine Erfahrung

In meinem persönlichen und beruflichen Umfeld kenne ich einige Personen, die überwiegend oder ausschließlich im Home Office arbeiten. 

Und dabei habe ich festgestellt, dass es sich hier mit einer klassischen Gaußschen Normalverteilung handelt: Es gibt die Freaks, die im Home Office endlich ungestört 16 Stunden am Tag arbeiten können und deren Produktivität durch die Decke schießt. Dann gibt es diejenigen, die das Home Office ausnutzen, wo es nur möglich ist und Arbeitszeit schreiben, während sie Computer spielen oder am See liegen. Und die Masse, die sich irgendwo in der Mitte aufhält. 

Bei den Unternehmen konnte ich beobachten, dass die Produktivität nach Einführung des Home Offices in der Regel zu Beginn zugenommen, über die Zeit dann aber kontiniuierlich abgenommen hat und oft unter dem ursprünglichen Niveau sinkt. 

Ist das überall so gewesen? Nein. Deshalb schreibe ich auch in der Regel. Grundsätzlich schreibe ich von meinen persönlichen Erfahrungen und Überlegungen im Allgemeinen. 

ABER: Wie überall beim Thema Führung und Mitarbeiter muss man sich die Details ansehen. Was für eine Firma überhaupt nicht funktioniert, kann für ein anderes Unternehmen goldrichtig sein. 

Vorteile von Home Office

Bereits vor Corona habe ich Unternehmen empfohlen fixe sterile Arbeitszeiten zu definieren und umzusetzen. 

Das sind Zeiten, in denen Mitarbeiter und Führungskräfte sich in keinster Form unterbrechen dürfen (z.B. Anruf oder am Arbeitsplatz vorbeikommen), außer es herrscht ein absoluter Notfall. 

Diese Zeiten führen dazu, dass Mitarbeiter und Führungskräfte störungsfrei Höchstleistungen erzielen können und sich besser organisieren müssen – weil nicht jeder auf Abruf zur Verfügung steht. 

Im Prinzip ist Home Office nichts anders, als diese sterilen Arbeitszeiten – sofern man Zuhause nicht von anderen Dingen aktiv abgelenkt wird 😅. 

Zusätzlich schafft Home Office mehr Zeit und Flexibilität für die Mitarbeiter, was meist ebenso zu gesteigerter Produktivität führt. 

Und zu guter Letzt ermöglicht Home Office, dass Mitarbeiter für Unternehmen arbeiten, die bei Anwesenheitspflicht und täglichem Pendeln einfach zu weit weg wären. Gerade beim heutigen Fachkräftemangel ein wichtiger Punkt.

Nachteile von Home Office

So sehr ich sterile Arbeitszeiten schätze, haben auch diese ihre Grenzen, bevor sie sich negativ auswirken. Und das gilt natürlich ebenso fürs Home Office.

Einer der wichtigsten Aspekte ist, dass die Zusammenarbeit nachweislich abnimmt. Wer irgendwann einmal mit mir zusammengearbeitet hat (zufälliges Wortspiel 😅), weiß, dass ich die Meinung vertrete, dass Zusammenarbeit den größten Mehrwert in Unternehmen schafft und dementsprechend wichtig ist.

Ein wichtiger Punkt, damit Zusammenarbeit stattfindet, ist, dass sie als solche erlebt wird – physisch. Es gibt mehrere Studien die beweisen, dass die beste Zusammenarbeit dort stattfindet, wo Personen auch örtlich zusammenarbeiten (deshalb sollte man z.B. Vertrieb und Marketing im selben Büro unterbringen).

Im Home Office ist das nicht möglich, dementsprechend nimmt sie in der Regel und damit auch der verbundene Mehrwert ab. 

Es gibt aber auch noch andere Punkte. 

Als Führungskraft sollte man sich dort aufhalten, wo man mitbekommt, woran die eigenen Mitarbeiter arbeiten, wie die Qualität der Arbeit ist, wo ich Unterstützung liefern kann und soll, aber ohne mich in Details zu verlieren und noch den Überblick zu bewahren kann. 

Im Home Office ist es nicht möglich diese Position einzunehmen – ich bin automatisch zu weit weg – außer mit technischen Kontrollen, welche wiederum das Vertrauen gefährden und damit keine geeignete Lösung sind. 

Wenn ich aber als Führungskraft entweder zu wenig mitbekomme, oder das Vertrauen zerstöre, dann wirkt sich das in der Regel negativ auf die mittel- und langfristige Produktivität meines Teams aus. So treten z.B. vermehrt Probleme auf, die ich als Führungskraft hätte verhindern können, die aber durch das Home Office durch den Rost gefallen sind. 

Und ein weiterer großer Punkt steht im krassen Gegensatz zu einem großen Vorteil des Home Offices: Ja, wir können Menschen beschäftigen, die weiter weg wohnen, aber Mitarbeiter im Home Office sind viel eher dazu geneigt, das Unternehmen zu verlassen – egal ob sie in der Nähe oder weiter weg wohnen – sprich, die Mitarbeiterbindung nimmt durch Home Office drastisch ab. Ich gewinne zwar leichter Mitarbeiter, verliere sie aber auch viel schneller. Und wer weiß, was es heißt einen eingearbeiteten und produktiven Mitarbeiter zu ersetzen, wird spätestens jetzt stark zusammenzucken. 

Und den letzten Punkt, den ich anführen möchte, sind mangelnde Führungsfähigkeiten. Auch, wenn das jetzt etwas eigennützig erscheint, ist es Fakt, dass der Großteil der Führungskräfte keine fundierte Führungsausbildung besitzt und die Führungsfähigkeiten dementsprechend oft zu wünschen übrig lassen.

Dieser Mangel an Führungsfähigkeiten wirkt sich aber bei Führung auf Distanz noch negativer aus, weil in diesem Fall sämtliche Aktionen und Kommunikation zielgerichtet und mit gut Begründung durchgeführt werden müssen. Was sonst oft zwischen den Zeilen im Büro aufgeschnappt oder kommuniziert wird, geht bei mangelnden Führungsqualitäten auf Distanz komplett verloren. 

Empfehlungen

Natürlich könnte man sowohl zu den Vor- wie auch den Nachteilen von Home Office einige Punkte hinzufügen. Ich denke aber, dass ich die ausschlaggebensten genannt habe. 

Und natürlich können diese auch durch kompetente Führung und der Anpassung diverser Rahmenbedingungen verbessert bzw. abgeschwächt werden. 

Fakt ist, dass meiner Meinung nach zu vieles gegen reines oder überwiegendes Home Office spricht. Auf der anderen Seite hat Home Office aber auch massive Vorteile, die im angemessenem Maße einen großen positiven Unterschied ausmachen.

Meine grundsätzliche Empfehlung ist daher eine Regelung von 3 Tagen Büro und 2 Tage Home Office, wobei die Bürotage aufeinander abgestimmt sein sollten, sodass die Mitarbeiter im Büro nicht Gefahr laufen, dort alleine zu sitzen, weil alle Kollegen gerade vom Home Office aus arbeiten.

So hat man die Vorteile beider Welten, ohne, dass sich die Nachteile durchschlagen.

Natürlich ist das nur eine allgemeine Empfehlung. Auf indiviueller Ebene mögen andere Lösungen durchaus sinnvoll sein. 

So arbeitet ein Freund von mir seit 5 Jahren von Deutschland aus für eine österreichische Firma. Er musste auf Grund von gesundheitlichen Problemen in der Nähe seiner Familie wohnen (er ist Deutscher) und die Firma konnte und wollte aber nicht auf sein Wissen und seine Arbeit verzichten – man hat sich geeinigt und es funktioniert bis heute ausgezeichnet. 

Ich kenne aber auch einen Fall, bei dem Home Office komplett nach hinten losgegangen ist. Wo vorher eine hohe Produktivität und geringe Fehlerzahl der Standard war, ist beides unmittelbar beim Übergang zum Home Office eingebrochen – eine direkte Folge mangelnder Zusammenarbeit. 

Schlussendlich kommt es wie überall zum Großteil auf die Unternehmensführung, das Umfeld und die Führungskräfte an. 

Home Office an sich sehe ich als ein Werkzeug, dass sinnvoll eingesetzt Vorteile für alle schafft. Es sollte allgemein aber auch nicht als mehr angesehen werden – unterm Strich zählt schlussendlich noch immer die Leistung, die am Ende des Tages rausschaut. 

Falls du anderer Meinung bist, oder noch etwas ergänzen möchtest, dann hinterlasse mir doch einen Kommentar.