Als Führungskraft mit Kritik umgehen – und mit vorschlägen
Kennst du die Situation, oder warst du vielleicht selbst schon einmal in dieser?
Eine Führungskraft präsentiert ein Ziel und ihren Plan, wie sie gedenkt, mit dem Team dieses Ziel zu erreichen. Nun meldet sich ein Mitarbeiter zu Wort und kritisiert einen Teil der Planung oder macht einen Vorschlag, wie das Ziel seiner Meinung nach besser zu erreichen wäre. Sowohl Kritik wie auch Vorschlag werden konstruktiv vorgebracht und verstoßen gegen keine Vorgaben oder moralischen Werte.
Genau darüber habe ich vor kurzer Zeit auch mit Teilnehmer einer meiner Führungskräfte-Workshops gesprochen und sie gefragt, wie sie mit der Situation umgehen und ob sie auf einen besseren Vorschlag eingehen würden.
Die Antworten waren gemischt:
- „Es kommt darauf an, wie lange der Mitarbeiter schon beim Unternehmen ist. Dann kann ich es besser einschätzen, was er mit dem Vorschlag bezweckt.“
- „Ich würde mich für den Vorschlag bedanken, aber wahrscheinlich trotzdem an meinem Plan festhalten. Sonst verliere ich ja das Gesicht vor meinen Mitarbeitern.“
- „Puh, schwierig – ich meine, wenn ich offensichtlich einen Fehler gemacht habe, muss ich ihn schon zugeben, aber sonst würde ich glaube ich erst später auf den Vorschlag eingehen, vielleicht unter vier Augen.“
- „Klar, wenn der Vorschlag Sinn macht, wäre ich ja blöd, wenn ich ihn nicht annehme, oder?“
Was schwingt bei den Antworten ganz offensichtlich mit?
Dass es vielen Führungskräften primär nicht um die Qualität des Vorschlags geht, sondern, wie sie vor der Rest der Mannschaft dastehen.
Beim Gespräch hat sich herausgestellt, dass die Führungskräfte der Überzeugung waren, dass, wenn sie auf den Vorschlag eingehen, das ja bedeutet, dass sie sich nicht genug Gedanken gemacht haben und damit ihr Standing vor den Mitarbeitern als Experte verlieren.
Aber ist das wirklich so? Welche Annahme liegt diese Überzeugung zu Grunde?
Die Annahme, dass die Führungskraft immer die beste Fachkraft sein muss. Aber das ist weder sinnvoll noch realistisch.
Das richtige Grundverständnis
In einer dynamischen Wirtschaftswelt wie heute, kann eine Person nie und nimmer die beste Fachkraft für alle Bereiche sein – nicht einmal für alle Bereiche innerhalb einer Abteilung – außer es wurden unqualifizierte Mitarbeiter eingestellt, aber selbst diese sammeln meist schnell wichtige Erfahrung und gewinnen an Wissen.
Die Aufgabe eine Führungskraft ist es daher nicht, überall die beste Lösung parat zu haben, sondern erfolgreich Personen, Ideen und Ressourcen miteinander zu verknüpfen und die eigenen Mitarbeiter zu unterstützen und zu führen, um so Höchstleistungen als Team zu erzielen.
Natürlich spielt hier das Ego eine große Rolle. Jeder sieht sich gerne als der Fachmann und gibt nur ungern zu, dass andere in einzelnen Bereichen eventuell besser bewandert sind. Aber lassen wir das Thema Ego einmal Außen vor – das ist ein anderes Kapitel.
Sehen wir uns stattdessen an, was wir als Führungskraft kommunizieren, wenn wir auf einen guten Vorschlag eingehen – oder eben nicht.
Versetze dich selbst in die Situation: Es gibt einen besseren Vorschlag, aber die Führungskraft hält an ihren ursprünglichen Plan fest – ohne nachvollziehbare Begründung (meist eher einer scheinheiligen).
Wie fühlst du dich dabei? Würdest du der Führungskraft dadurch mehr oder weniger vertrauen?
Die Chancen stehen hoch, dass du der Führungskraft dadurch weniger vertraust, weil sie offensichtlich ihr Ego bzw. ihre eigene Wichtigkeit oder Wünsche vor die Zielerreichung stellt. Wenn der Vorschlag dem Team hilft effektiver und effizienter das Ziel zu erreichen und/oder das Risiko der Zielverfehlung minimiert und gegen keine moralischen Regeln verstößt, dann gibt es keinen Grund dem Vorschlag nicht zu folgen.
Jemand, dessen hauptsächlicher Fokus es ist, mit dem Team zu gewinnen, wird dankbar für den Vorschlag sein und ihn freudig annehmen. Jemand, dem es stattdessen um seine eigene Person, die eigene Macht und Anerkennung geht, oder der auch vielleicht nur unsicher ist, wird damit Schwierigkeiten haben und gegebenenfalls ablehnen.
Auf einen Vorschlag bzw. auf berechtigte Kritik deiner Mitarbeiter einzugehen, schwächt dich damit als Führungskraft nicht, sondern im Gegenteil, verschafft dir Respekt und Anerkennung.
In der Situation mag das intuitiv paradox wirken, entspricht aber den Tatsachen.
Wichtiger Tipp: Wenn du in eine solche Situation kommst und dich dabei unwohl fühlst oder angegriffen, dann stell dir folgende Frage: „Zielt der Vorschlag darauf ab, mich persönlich anzugreifen?“.
Die Antwort wird in 99,99% der Fälle „Nein“ sein. Was du aber durch diese Frage erreichst, ist, dass du emotionalen Abstand zum Vorschlag gewinnst und ihn sachlich analysieren kannst.
Stellt sich der Vorschlag als vernünftig bzw. besser heraus, solltest du ihn befolgen. Sollte er Nachteile mit sich bringen, bzw. in anderen Bereichen Kopfweh bereiten und du möchtest ihn deshalb nicht befolgen, dann erkläre warum. Gib deinen Mitarbeitern die Möglichkeit zu verstehen, dass deine Entscheidung sachlich getroffen wird und nicht auf Grund deines Egos und was alles dazugehört.
Eine starke Führungskraft macht ihr Team stärker, nicht sich selbst.
Eine kleine Anmerkung noch: Die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit sagt nichts über die potentielle Qualität eines Vorschlags aus. Oft sind es genau jene Mitarbeiter, die noch nicht den unternehmerischen Scheuklappen verfallen sind, die wichtigen Input von außen einbringen – schätze diese und schenke ihnen sogar mehr Gehör!
Viel Erfolg mit der Umsetzung und falls du Fragen hast, hinterlasse mir doch einen Kommentar oder vernetze dich auf LinkedIn mit mir.
So long,
Stefan
P.S.: Wie man am besten mit solchen und ähnlichen Situationen als Führungskraft am besten umgeht, bearbeite ich in meiner digitalen Workshop-Serie „Spannungsfeld Führungskraft“ die Anfang wieder November startet.
Du findest hier alle Informationen dazu und kannst dir hier auch ein kurzes Informationsvideo zur Workshop-Serie ansehen.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns im Workshop sehen und wünsche dir noch eine erfolgreiche Woche!
– Autor –
Stefan Delano
Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting