Im Sturm erkennt man die Qualität des Kapitäns
Wie der eine oder andere mitbekommen hat, ist es aktuell nicht so rosig in der Wirtschaft. Die Industrie in Österreich und Deutschland strauchelt stark und damit einher leiden ganze Wirtschaftszweige darunter.
Zusätzlich hat die hohe Inflation gemeinsam mit hohen Zinsen dafür gesorgt, dass Kredite unerschwinglich werden, die Baubranche in den Knien ist und mangelnde Liquidität viele Unternehmen stark gefährdet.
Das alles nicht einmal vier Jahre nach Corona und einer Preisexplosion bei Rohstoffen in den letzten beiden Jahren.
Und selbst dann, wenn die Welt allgemein etwas ruhiger wäre, passieren regelmäßig Dinge, die unvorhersehbar sind und den unternehmerischen Alltag auf den Kopf stellen.
Hier nur ein paar Dinge der letzten Wochen, die in Unternehmen geschehen sind, mit denen ich in der einen oder anderen Form in Kontakt stehe:
- Der Geschäftsführer ist bei einem Sportunfall ums Leben gekommen und die Weiterführung des Betriebes ist dadurch in der jetzigen Form nicht mehr möglich.
- Auf Grund des Wegfalls eines Großauftraggebers musste eine komplette Schicht gekündigt werden – 300 der gesamt 600 Mitarbeiter.
- Die Eigentümer haben das Unternehmen verkauft und die Geschäftsführung erst eine Woche vor der Unterschrift darüber informiert. Die Mitarbeiter haben erst zwei Tage vor dem Verkauf davon erfahren.
- Der technische Leiter eines Produktionswerkes wurde bei einem Autounfall schwer verletzt. Der Stellvertreter wurde drei Monate davor von der Konkurrenz abgeworben. Es besteht ein massives Vakuum an Know-How und Führungspersonal für die Fortführung des Betriebes.
- Eine geplante Übergabe an die nächsten Generation ist gescheitert. Es ist zum Streit zwischen den Kindern gekommen. Aktuell werden kaum Entscheidungen getroffen, während der Rest des Betriebes versucht alles am Laufen zu halten.
Ich könnte noch viele kleinere Vorfälle berichten.
Fakt ist, dass etwas passiert, ist eher die Regel als die Ausnahme.
Und dann stellt sich die Frage, wie Führungskräfte im Stande sind, diese Situationen zu meistern.
- Wie hält man die Moral hoch, nachdem die Hälfte der Kollegen gekündigt wurden?
- Wie sehr haben sie bisher die Zukunftsfähigkeit gesichert (siehe „Mehrwert durch Führung“) und können auf diese Leistung im Krisenfall zurückgreifen?
- Wie schnell können sie mit neuen Vorgesetzen einen effektiven Rapport aufbauen und neue Vorgaben oder eine neue Firmenkultur in der Firma umsetzen?
- Wie gut schaffen sie es den Standard und Qualität zu halten, auch wenn Lieferketten oder Mitarbeiter ausfallen?
- Wie gut organisieren sie Zusammenarbeit im großen Stil mit neuen Kollegen, Teams und Abteilungen (z.B. bei einem Merger)?
- Wie gut haben sie ihr Team und Mitarbeiter auf schwierige Situationen vorbereitet?
- Und zu guter Letzt: Wie bereitwillig übernehmen sie Verantwortung für aktuelle Probleme und wie gut haben sie dabei ihr Ego im Griff?
Das Problem dabei ist, dass man in solchen Fällen sehr oft erkennt, dass die Führungskräfte nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen, um diese Situationen bestmöglich zu überstehen.
Und man erkennt oft auch, dass bei Schönwetter zu wenig Führung stattgefunden hat und dies in der Krise für massive Probleme sorgt (z.B. keine oder schlechte Standardprozesse, Kommunikationsstrukturen, Entscheidungswege, usw.).
Die Metapher vom Kapitän auf einem Segelschiff ist dazu sehr treffend.
Herrscht schönes Wetter und steht der Wind gut, ist es nicht schwer gute Fahrt zu machen und einen angenehmen Segeltörn zu haben.
Zieht aber ein Sturm auf, sieht die Situation anders aus.
Bewahrt da der Kapitän einen kühlen Kopf? Hat er die Mannschaft im Griff und gibt schnell und korrekt die richtigen Anweisungen?
Wie sieht es bei Schäden oder Ausfällen aus?
Wurde alles an Bord gut vorbereitet für einen Sturm oder schwierige Bedingungen?
Wurde die Mannschaft im Vorfeld gut gebrieft und eingeschult, um im Sturmfall schnell und effektiv handeln zu können?
Wie verhält sich der Kapitän z.B. beim Anlegen in einer Marina, wenn es eng ist und das Boot oft mit wenigen Zentimetern in eine Lücke manövriert werden muss (wer noch nie auf einen Segelboot war: Man kann ein Boot nicht so steuern wie ein Auto. 😉).
Wissen alle Crewmitglieder, was ihre Rolle ist, wie sie zu handeln haben und sind sie dazu im Stande?
Wurde die richtige Crew ausgewählt?
Die Fragen führen alle zu drei Erkenntnissen:
- Die wahren Fähigkeiten eines Kapitäns oder einer Führungskraft erkennt man vor allem dann, wenn in irgendeiner Form Chaos ausbricht – und das geschieht schneller und häufiger als viele anerkennen.
- Die Fähigkeiten kann man Segelschiff ausschließlich vorher lernen und als Führungskraft nur bedingt in schwierigen Situationen.
- Die Qualität von Führung bei Schönwetter entscheidet maßgeblich darüber, wie gut die Mannschaft im Sturm im Stande ist ihr Ziel zu erreichen.
Was mich dabei immer wieder konsterniert zurück lässt, ist wie wenig Führungskräfte und Unternehmen aus solchen Situationen lernen.
Da ist eine Krise überstanden und man hat festgestellt, dass die notwendigen Kompetenzen fehlen, aber es wird nicht nachgeholt.
Mit der Begründung „es läuft eh gerade alles stabil“.
Nur um dann bei der nächsten Krise oder schwierigen Situation festzustellen, dass man „doch etwas machen hätte sollen, aber jetzt ist es zu spät“.
Besonders spannend empfinde ich, dass es bei der rein fachlichen Weiterbildung ein anderes Verständnis gibt. Hier wird laufend und bereitwillig investiert – auch bei schwieriger Wirtschaftslage – damit man am technischen Zahn der Zeit bleibt und die geforderte Qualität liefern kann.
Warum Führungskompetenzen unter einem komplett anderen Licht gesehen werden, ist für mich nicht nachzuvollziehen.
Vielleicht, weil Führung nach wie vor nur als etwas Administration, Motivation und sagen, wo es lang geht, verstanden wird.
Oder weil Führung als etwas gesehen wird, das man kann oder nicht.
Oder weil Unternehmen und Führungskräfte schlechte Erfahrung mit Führungskräftetrainings gemacht haben.
Wahrscheinlich von allem etwas.
Gerade der letzte Punkt – die schlechten Erfahrungen mit Führungskräfte-Weiterbildungen bisher – ist etwas, auf das ich immer häufiger stoße.
Da wurden Unsummen und Zeit investiert und es hat sich unterm Strich nichts verändert.
Der Frust und die Enttäuschung ist also verständlich. Man darf aber auch das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.
Nur weil ich eine schlechte Erfahrung mit dem Kauf eines gebrauchten Autos gemacht habe, heißt das nichts, dass ich nur noch Neuwagen kaufen muss oder mir nie wieder ein Auto zulegen sollte. Vielmehr sollte ich bei der Auswahl in Zukunft auf bessere Kriterien achten.
(Eigenwerbung: Das ist der Grund, warum alle meine Trainings sich über einen langen Zeitraum erstrecken (mind. 5 Monate), aus kurzen Einheiten bestehen und gezielte Umsetzung des Trainierten fordern und fördern. Nur dadurch entwickeln sich nachhaltig Kompetenzen. Was meine Testimonials widerspiegeln.)
Gleichzeitig ist Führungskräfte-Training eines der besten Investitionen überhaupt.
Ein Team mit acht Mitarbeitern und einer Führungskraft muss schnell einmal eine Million und mehr pro Jahr für das Unternehmen leisten, damit es sich rechnet.
Wenn durch ein effektives Führungskräfte-Training die Leistung des Teams nur um 5% nachhaltig zunimmt, dann dürfte das Training €50.000 kosten und hätte sich bereits im ersten Jahr gerechnet.
Der Großteil der Trainings kostet aber nur einen Bruchteil davon.
Auf der anderen Seite, wenn ein Training nichts bringt, dann sind auch €500,00 zu viel.
Was aber auf jeden Fall am meisten kostet, ist ein Kapitän der im Sturm das Schiff auf Grund setzt.
Fazit: Auch, wenn bei Schönwetter alles gut aussieht, heißt es nicht, dass der Kapitän einen guten Job macht. Die notwendigen Kompetenzen müssen erlernt und trainiert werden, bevor der Sturm aufzieht. Nichts hat so großen Einfluss auf den Erfolg der Mannschaft, wie die Fähigkeiten der Person, die die Verantwortung überhat.
– Autor –
Stefan Delano
Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting