Wenn man sich die Auswahl von Führungskräften in Österreich und Deutschland ansieht, dann gelangt man zu einer Überzeugung: Eine Führungskraft muss die beste Fachkraft sein. 

Schließlich wird in 90% der Fälle diese befördert.

Was dann aber passiert, ist meistens, dass wir eine sehr gute Fachkraft weniger und eine mittelmäßiges Führungskraft mehr haben.

Oder aber, dass wir weiterhin eine gute Fachkraft haben, die nun aber 10 Überstunden mehr pro Woche verbringt, damit sie das Thema Führung noch als Nebenbeiaufgabe erledigen kann und damit einen allgemeinen Produktivitätsverlust.

 

 

Führungskraft oder Experte?

Die Frage, die sich logischerweise stellt, ist: „Wie viel Fachwissen muss eine Führungskraft tatsächlich besitzen?“

Um diese zu beantworten, brauchen wir aber die Antwort auf eine zweite Frage: „Was erwarten wir von einer Führungskraft?“

 

Wir können erst durch eine Antwort auf die zweite Frage, die erste analysieren.

Also fangen wir dort an.

 

Was erwarten wir von einer Führungskraft?

In meinen Trainings stelle ich IMMER die Frage, wie meine Teilnehmer ihre Zeit aufteilen zwischen Führung und fachlicher Arbeit.

 

Fachliche Arbeit verstehe ich unter Arbeit, die auch ein anderes Teammitglied vom Skill her in gleicher Qualität erfüllen könnte.

Darunter fällt alles Mögliche: Administration, Berechnung eines Angebotes, Programmierung einer Software, usw.

Das sind Aufgaben, die rein fachliche Kompetenz und wenig strategischen Überblick benötigen.

 

Nicht darunter fallen Tätigkeiten, die fachlich oftmals zwar keinen großen bzw. sehr großen Anspruch haben, die aber dafür einen fundierten Überblick über die Gesamtsituation verlangen. Etwas, dass in der Regel nur Führungskräfte besitzen.

Beispiel: Einzelne Tätigkeiten innerhalb eines Projektes können meist von den Mitarbeitern erledigt werden. Aber nur die Führungskraft hat den detaillierten Überblick, wie sich dieses Projekt auf das Gesamtziel auswirkt, welche anderen Projekte davon betroffen sind und wie eine Ressourcenverteilung auf Grund dieser Situationen sinnvoll ist. 

Und dann gibt es natürlich die klassischen Führungsaufgaben: Mitarbeiterführung, Verbesserung und Organisation der Zusammenarbeit, Auswahl- und Gewinnung der richtigen Mitarbeitern, das Treffen von Entscheidungen, usw.

 

 

Wenn du dir das durchliest, was glaubst, wie viel Zeit Führungskräfte in der Regel mit Führung verbringen?

…..

Zwischen 10-20%. Das sind die Antworten, die sie selbst geben – also wahrscheinlich noch großzügig geschätzt.

 

Nimmt man diese Zahl her, scheint es so, als würden wir von Führungskräften primär deren Expertise als Fachkraft wollen und Führung als Nebenbei-Aufgabe. 

Ist das der Fall, ist es logisch, dass wir die beste Fachkraft zur Führungskraft machen und diese über bestmögliche Fachkenntnis verfügen muss.

 

Aber ist das sinnvoll?

Sieht man sich diverse Studien an, ist die eigene Führungskraft oder die Unternehmensführung der größte Einzelgrund für Kündigungen (bis zu 71%).

Zusätzlich outperformen Teams, die ihre Führungskraft als kompetent im Führungsbereich einstufen andere Teams oft um das Dreifache.

Unternehmen zahlen also einen hohen Preis dafür, dass sie von Führungskräften primär erwarten Fachkraft zu sein.

 

Führungskraft als Führungskraft

Gehen wir jetzt stattdessen davon aus, dass wir von unseren Führungskräften erwarten zu führen und primär als Führungskraft Mehrwert zu schaffen und nicht als Fachkraft.

Wie viel Expertise muss eine Führungskraft in diesem Fall besitzen?

Meiner Meinung nach muss sie ausreichend Fachkompetenzen besitzen, damit sie im Stande ist

  1. die Qualität der Arbeit der Mitarbeiter zu beurteilen,
  2. im Notfall in einzelnen (nicht in allen!) Fällen einzuspringen,
  3. gute Entscheidungen zu treffen und
  4. Veränderungen im Branchenumfeld rasch wahrzunehmen.

That’s it.

 

Eine Führungskraft in der IT wird nie alle Fachkenntnisse abdecken, über die einzelne Mitarbeiter in der Abteilung verfügen. Eine Führungskraft in einem Produktionsbetrieb wird nicht jede einzelne Maschine reparieren oder bedienen können.

Es ist unrealistisch zu erwarten, dass eine Führungskraft der Experte für jede einzelne Tätigkeit ist, die ein Team ausführt.

Noch ist es realistisch, dass eine Führungskraft die gleiche Fachleistung wie eine Fachkraft erbringt und gleichzeitig Mitarbeiter zu Höchstleistungen führt.

 

Führungskräfte schaffen Mehrwert nicht durch Fachexpertise, sondern indem sie

  • erfolgreich Mitarbeiter, Ideen und Ressourcen zu verknüpfen und so 1+1 nicht 2 ergibt, sondern eben 3, 4, 5 oder noch mehr.
  • gute Entscheidungen treffen, die maßgeblich den Erfolg in der Zukunft bestimmen.
  • erfolgreich die richtigen Mitarbeiter auswählen und gewinnen.
  • die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern.

 

Dort liegt das Gold in Führung.

Dafür müssen sie aber Führungsexperten sein, nicht Fachexperten.

Dafür braucht es Führungskompetenzen, die genauso erlernt werden müssen, wie fachliche Qualifikationen.

 

 

Eine „Kleinigkeit“ muss aber noch geben sein: Die Führungskraft muss ihr Ego so im Griff haben, dass sie kein Problem damit hat, Fragen zu stellen, wenn sie etwas nicht versteht oder der Expertise einzelner Mitarbeiter zu folgen.

Das ist oft das größte Problem – und auch eine Führungskompetenz.

 

 

– Autor –

Stefan Portrait

Stefan Delano

Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting

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