Bessere Integration durch bessere Führung

In meinem letzten Artikel habe ich über das Thema Multikulti geschrieben und aufgezeigt, warum wir dieses Element brauchen, aber auch wo die Probleme liegen.

Erinnern wir uns kurz: Wir brauchen Chaos sowohl in Unternehmen wie auch in der Gesellschaft, um notwendige Probleme sichtbar zu machen und zukunftsfähig zu bleiben. Dort jedoch, wo es keine gemeinsamen Anknüpfungspunkte gibt, also reines Chaos herrscht, kommt es zu massiven Konflikten.

Wie lösen wir diese Konflikte und schaffen den Grundstein für eine funktionierende Zukunft? Wie gelingt uns eine erfolgreiche Integration anderer in unser Unternehmen und unsere Gesellschaft?

 

Genau dieser Frage möchte ich in diesem Artikel nachgehen und mögliche Ansätze, anhand ausgesuchter Punkte meines Führungs-Konzeptes, erarbeiten. Ich stelle dabei weder einen Anspruch auf Vollständigkeit, noch glaube ich, dass sich alle Ansätze so einfach umsetzen lassen.

Vieles werde ich, bzw. muss ich vereinfacht und verkürzt darstellen, da sonst jeder Rahmen eines Artikels gesprengt werden würde. Es soll jedoch aufzeigen, in welche Richtung konkrete Maßnahmen gehen können und warum die Steuerung von Verhalten sowohl in der Gesellschaft wie auch in Unternehmen höchste Priorität haben sollte.

 

Bereich Klarheit

Der Großteil der Widerstände von Mitarbeitern in Unternehmen hat mit fehlender Klarheit zu tun. Das mag einerseits daran liegen, dass es einen Prioritätenkonflikt gibt, andererseits, dass die Vorgaben einfach schwammig formuliert wurden.

Das trifft natürlich auch auf das Thema Integration zu. Ein „integriert euch“ ist genauso wenig hilfreich, wie ein „akzeptiert die Unterschiede“. Wie soll das ein Mensch konkret in Verhalten umsetzen? Und genau darum geht es: Verhalten.

Wie sollen sich sowohl Immigranten wie auch Einheimische verhalten, damit ein Zusammenleben funktioniert und in der Zukunft besser wird? Was ist in Ordnung, was nicht? Wo fängt man an? Was bedeutet Integration eigentlich? Assimilation? Aufgabe der eigenen Kultur? Oder stolze Bewahrung der eigenen Identität und Werte und ausschließliche Einhaltung der örtlichen Gesetze? Und was bedeutet Akzeptanz?

Wo zieht man die Grenze zwischen einem kulturellen Unterschied und etwas, das moralisch nicht in Ordnung ist? Der Bogen von A bis Z ist riesig und schwer überschaubar.

Um einen Überblick zu gewinnen, sehen wir uns jetzt ein konkretes Werkzeug für diesen Bereich an.

 

Positive Abweichungen

Im Zuge meiner wissenschaftlichen Arbeit musste ich mich damals mit dem Thema Migration, Integration und Bildung auseinandersetzen. Es gibt dazu unzählige Quellen mit dazugehörigen Zahlen, Daten und Fakten.

Nach der Durchsicht stellte ich fest, dass es nicht DIE Migranten gibt, sondern, dass diese Gruppe sehr heterogen ist und verschiedenste Merkmale aufweist.

So gibt es Teile, die innerhalb von zwei Generationen sämtliche Werte der einheimischen Bevölkerung erreichen, was Bildungs- und Beschäftigungsgrad sowie Deutschkenntnisse betrifft. Dem gegenüber stehen Gruppen, die selbst in der dritten und vierten Generation Werte aufweisen, wie Migranten, die eben erst in Österreich eingewandert sind.

Was geschieht nun im Normalfall? Richtig, wir sehen uns die Problemgruppen an, um festzustellen, was hier falsch läuft.

Wir versuchen Probleme zu analysieren, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg, um anhand der Ergebnisse entsprechende Maßnahmen zu erarbeiten. Die aktuellen Probleme zeigen, dass dieses Konzept bisher nur mäßig bis gar nicht funktioniert.

Dem gegenüber steht der Ansatz aus meinem Führungs-Konzept: Anstelle sich auf die Gruppen zu fokussieren, bei denen es nicht funktioniert, versuchen wir herauszufinden, was die erfolgreichen Gruppen richtig machen.

Falls wir die verschiedenen Gruppen nicht vergleichen können, weil diese zu heterogen sind, versuchen wir, direkt in der Problemgruppe nach positiven Ausnahmen zu suchen.

Gibt es Familien oder kleine Gemeinschaften, die sich erfolgreich integriert haben? Was war dort anders? Haben sich diese Migranten anders verhalten? Verhalten sich die Einheimischen im Umfeld anders? Liegt es an der Schule? Herrschen andere Rahmenbedingungen vor? Wo haben sie aktuell eine Lösung für das Problem? Wo hatten sie Erfolg im Lösen des Problems in der Vergangenheit?

Die Wahrscheinlichkeit ist immens hoch, dass wir durch diese Herangehensweise Strategien entdecken, die sich erfolgreich auf die gesamte Gruppe umlegen lassen.

Wichtig ist dabei zu beachten: Es muss keine glorreiche Erfolgsgeschichte sein, es muss nur besser als bisher sein. Wir suchen nach dem Besten, das verfügbar ist.

Dabei können selbst kleine Veränderungen große Erfolge bewirken.

 

Eine Schule hat unter anderem festgestellt, dass die persönliche Ansprache eines Problemschülers beim Betreten der Klassen dessen Verhalten enorm verbesserte. Diese Erkenntnis wurde gewonnen, als man das Verhalten einer Lehrerin, die wenige Probleme mit dem Problemschüler hatte, analysierte. Eine Kleinigkeit, aber eine, die viel zur Unterrichtsqualität und dem Wohlfühlen für den Schüler, die Lehrkräfte und die gesamte Klasse bewirkt hat.

Was für die Gesellschaft gilt, funktioniert natürlich auch in Unternehmen. Deine Aufgabe muss sein, zu analysieren, was dafür gesorgt hat, dass es manchen Mitarbeitern leichter gefallen ist, in deinem Unternehmen Fuß zu fassen als anderen.

Versuche konkrete Verhaltensanleitungen daraus abzuleiten. Selbst zunächst albern anmutendes Verhalten führt oft zum Erfolg. Ein Beispiel: Helium-Luftballone über dem Arbeitsplatz des neuen Mitarbeiters platzieren, damit die anderen Mitarbeiter wissen, dass es einen neuen Kollegen gibt und ihn dementsprechend begrüßen und willkommen heißen.

 

Bereich Emotion

Der Bereich Emotion gleicht beim Thema Integration einem Pulverfass. Es gibt extreme Haltungen auf beiden Seiten des politischen Spektrums – sowohl auf Immigrantenseite wie auch auf Seite der einheimischen Bevölkerung. Schade ist es daher, dass damit primär politisches Kleingeld gemacht wird, anstelle der positiven Nutzung dieser Energien.

Positiv? Ja positiv. In vielen Fällen muss die notwendige Emotion erst erzeugt werden, damit die Bereitschaft zur Veränderung überhaupt entsteht.

Speziell in Unternehmen, aber auch bei Randthemen ist dies oft die größte Herausforderung. Emotion kommt dabei der Antriebsenergie gleich, die den gesamten Prozess in Bewegung hält.

Daher gilt: Je mehr Emotion, desto wahrscheinlicher die erfolgreiche und nachhaltige Veränderung – sofern man im Stande ist, sie effektiv zu nutzen.

 

Veränderung verkleinern

Ein wichtiger Schritt bei der Planung der Emotion ist dabei das schrittweise Vorgehen.

Nachhaltige Veränderung passiert (fast) nie über Nacht. Das liegt zum einen daran, dass Veränderung ein Prozess ist, bei dem die Teilnehmer mitwachsen müssen, zum anderen, weil das weitere Vorgehen erst nach den ersten Schritten erkennbar wird. Auch verängstigt Veränderung Menschen sehr oft: Schaffe ich das überhaupt?

Unsere Aufgabe ist es daher, die Veränderung in solch kleine Schritte herunterzubrechen, dass die Betroffenen nicht davor zurückschrecken.

 

Das Beispiel Deutsch und integration

Ein klarer Ursachen-Wirkungs-Zusammenhang zwischen erfolgreicher Integration und deutscher Sprache ist mittlerweile mehrfach nachgewiesen. Warum manche Gruppen Deutsch von sich aus gut erlernen und andere nicht, möchte ich hier außenvorlassen – das wäre einen eigenen Artikel wert.

Gehen wir also davon aus, dass der Wunsch Deutsch zu lernen, grundsätzlich vorhanden ist, das Erlernen jedoch auf Grund von bisherigen Rückschlägen, negativen Erfahrungen oder anderen Gründen gescheitert ist.

Stattdessen ziehen sich diese Menschen in eigene Gruppen zurück und bilden eine Subkultur, wo niemand Deutsch spricht und man mit der Muttersprache gut durchkommt.

Wähle einen Startpunkt. Das wichtigste bei jeder Sprache ist das Vokabular. Beherrscht man die wichtigsten Wörter, kann man zumindest Gespräche führen, auch wenn es nachwievor grammatikalische Fehler gibt. In der deutschen Sprache benötigt man für die 4. Klasse Volksschule einen Wortschaft von 500-750 Wörter, für die 4. Klasse der neuen Mittelschule ca. 3000 Wörter.

Diese Zahlen sichtbar zu machen, ist für viele Menschen bereits eine wesentliche Erleichterung und erster wichtiger Schritt. Man hat ein Ziel vor Augen. Eine Zahl, die man verfolgen kann. Die Veränderung ist überschaubar und konkret. Auch wenn für manche diese Zahlen erschreckend hoch sind.

 

Als nächstes kommt aber ein weiterer wesentlicher Schritt: Einen mentalen Vorsprung verschaffen.

Die wenigsten Personen werden bei null anfangen müssen. Jeder, der zumindest wenige Tage in Österreich lebt, kennt bereits einige Wörter.

Wichtig ist, dass man dies für die Betroffenen sichtbar macht. Wenn jemand erkennt, dass er bereits 250 Wörter beherrscht, sieht er sich auch im Stande weitere Wörter zu erlernen. Kombinieren wir dies nun mit einer Strategie der kleinen Schritte, schaffen wir es den Ball ins Rollen zu bringen.

Solche Schritte könnte das Erlernen von 21 neuen Wörter pro Woche sein. Das sind drei Wörter pro Tag – eine schaffbare Aufgabe.

 

Werden zusätzlich kleine Siege gefeiert, ist die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Veränderung hoch.

So könnten Personen, je nachdem wie der Lernfortschritt überprüft wird, kleine Abzeichen erhalten. Diese könnten an die Menge der Wörter geknüpft sein: 250-Worte-Abzeichen, 500-Worte-Abzeichen, usw.

Wichtig ist, dass diese Erfolge ernstgenommen werden. So erhalten die betroffenen Personen eine schnelle Rückmeldung, dass sie am richtigen Weg sind, wodurch sich das positive Verhalten weiter verstärkt.

(Beim Schreiben dieser Zeilen merke ich, dass das Thema Deutsch allein einen Artikel, oder sogar eine ganze Reihe verdient hätte.)

 

Bereich Situation

Dieser Artikel ist hier bereits sehr lange. Länger als ich naiverweise ursprünglich antizipiert habe. Daher werde ich diesen Bereich kurz halten. Ich denke, der wichtigste Punkt bei der Auseinandersetzung mit anderen ist es, so gut wie möglich den Attributionsfehler zu vermeiden.

Dieser besagt in seinem Kern folgendes: Wenn ich mich daneben verhalte, dann finde ich dafür schnell eine Erklärung auf Grund einer Situation – z.B. mein Kind hat mich nicht schlafen lassen und ich bin übermüdet. Wenn aber wer anders sich daneben verhält, dann suche ich die Ursachen bei dessen Charakter – z.B. er ist eben ein rücksichtsloser Kerl.

Mehr Informationen findest du hier: Wiki Attributionsfehler

Bei emotionalen Themen ist dies allerdings nicht immer möglich. Gerade deshalb ist es wichtig, dass er bewusst angesprochen und eingeplant wird.

 

Darüber hinaus gibt es viele weitere Möglichkeiten, um die Situation zu verbessern.

Man könnte Auslöser für ein bestimmtes Verhalten planen, an bestehendes Verhalten anknüpfen oder sich eventuell widersprechende Rahmenbedingungen analysieren und beheben, u.v.m.

Da ich dich lieber Leser, aber mit der Länge des Artikels bereits sehr beansprucht habe, werde ich meine Ausführungen an dieser Stelle beenden.

Von den ursprünglichen Ideen, die ich unbedingt in einen solchen Artikel packen wollte, haben es nur zwei geschafft und das nur in kurzer Ausführung. Vielleicht mache ich also doch einmal einen Podcast zu diesem Thema. Bist du daran interessiert, trage dich für meinen Newsletter ein, um nichts zu verpassen!

So long,
Stefan

 

P.S.: Die hier angesprochenen Werkzeuge entstammen meinem Schwerpunkt „Effektiv verändern“.

– Autor –

Stefan Portrait

Stefan Delano

Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting