Streik und Führung

Weil dieser Blog-Beitrag etwas länger wird, kannst du hier auch gleich zum jeweiligen Punkt springen der dich interessiert – ich finde natürlich alles wichtig! wink

 

Streik und Führung: Überblick

Das Spannungsfeld Führungskraft, mein Lieblingsthema, ist um eine Facette reicher geworden: STREIK.

Wie bei den anderen Themen, die das Spannungsfeld ausmachen, sitzen Führungskräfte auch hier zwischen den Stühlen und ist meiner Meinung nach das zweitgrößte Dilemma von Führungskräften. *

Einerseits vertreten sie im Streikfall die Wünsche des Unternehmens und der Eigentümer. Auf der anderen Seite sind sie das Sprachrohr ihrer Mitarbeiter, sind für deren Unterstützung und Großteils für deren Wohlbefinden im Unternehmen verantwortlich.

Gleichzeitig sind sie selbst von dem Ergebnis der Verhandlungen betroffen (eine Gehaltserhöhung der aktuell geforderten 11% macht auch für Führungskräfte einen enormen Unterschied) auf der anderen Seite verdienen sie bereits meist wesentlich mehr als ihre Mitarbeiter und verstehen auch die größeren Zusammenhänge, warum eben diese Erhöhung in vielen Betrieben aktuell schwierig ist.

Im Normalfall haben Führungskräfte immer einen gewissen Einfluss auf Entscheidungen und Situationen, egal wo auf der Hierarchiestufe sie stehen. Im Fall eines Streiks nicht, da die Entscheidungen nicht einmal innerhalb des Unternehmens getroffen wird. Das macht die Sache umso schwieriger.

Es gibt auch kein Patentrezept, da die Situation in den Unternehmen so unterschiedlich ist.

In einem Unternehmen, in dem bereits gute Löhne gezahlt werden, wirkt sich der Streik und die Auseinandersetzung der Sozialpartner wahrscheinlich wesentlich weniger aus, als in Unternehmen die ausschließlich KV-Löhne oder nur ein wenig darüber bezahlen.

Ich werde trotzdem versuchen hier ein paar Vorschläge und Ideen zu liefern, wie man Streik und ähnliche Situationen etwas entschärfen kann.

 

Dinge, die wir vorher hätten tun sollen

Wie bereits bei der Einleitung angedeutet, hängt in einer Streiksituation vieles davon ab, wie rund es bisher im Unternehmen läuft.

Fühlen sich die Mitarbeiter fair entlohnt? Wie erfolgreich ist das Unternehmen?

Und vor allem: Wie zufrieden sind die Mitarbeiter mit ihrer jeweiligen Führungskraft?

Das hängt wiederum von zwei Faktoren ab: Wie gut führt die Führungskraft (Mitarbeiter arbeiten lieber für eine distanzierte, aber kompetente, als für eine freundliche, aber inkompetente Führungskraft – Erfolg führt zu Mitarbeiterzufriedenheit, nicht umgekehrt) und wie sehr fühlen sich die Mitarbeiter wertgeschätzt.

Ein fairer Lohn ist ein Teil der Wertschätzung eines Unternehmens – darauf haben Führungskräfte oft nur indirekten Einfluss – der andere wesentliche Teil ist nicht etwa Lob (das ist nur bedingte Wertschätzung) sondern Zeit. Konkret: Wie bewusst und wie viel Zeit nimmt sich die Führungskraft im Berufsalltag für die Mitarbeiter.

Wenn der Mitarbeiter das Büro der Führungskraft mit einer Frage betritt, unterbricht die Führungskraft ihre Tätigkeit und widmet die ganze Aufmerksamkeit dem Mitarbeiter? Oder arbeitet sie weiter am PC und beantwortet die Frage so schnell wie möglich, damit sie den Mitarbeiter wieder los wird?

Wie oft führt die Führungskraft gezielt informelle Gespräche mit dem Mitarbeiter?

Nicht ein Austausch, weil man gerade zufällig gemeinsam auf ein Meeting wartet.  Sondern ein bewusstes Zeitnehmen und mal nachfragen, wie es dem Mitarbeiter aktuell mit seiner Arbeit, im Team und seinen Herausforderungen geht. Was beschäftigt ihn? Welche Überlegungen stellt er an?

Fühlt sich ein Mitarbeiter wertgeschätzt, werden die KV-Verhandlungen und der Streik wesentlich weniger negative Auswirkungen haben.

 

Dann stellt sich die Frage, wie gut haben die Führungskräfte die Zukunftsfähigkeit gesichert. Die Zukunftsfähigkeit zu sichern ist eine der Aufgaben, mit denen Führungskräfte den größten Mehrwert für ihr Unternehmen schaffen können (und sind deshalb auch ein Kernthema in meinem Schwerpunkt „Mehrwert durch Führung“).

In diesem Fall schaut die Frage nach der Sicherung der Zukunftsfähigkeit so aus: Wie gut hat die Führungskraft ihr Team auf Störungen und auf eine angespannte Situation vorbereitet?

Als Führungskraft will ich nicht, dass meine Mitarbeiter das Chaos einer brenzligen Situation das erste Mal dann erleben, wenn diese Situation eintritt.

Stattdessen sorge ich dafür, dass meine Mitarbeiter solche Probleme bewusst in einem geschützten Rahmen erleben.

Entweder durch ein Training oder durch Störungen und Situationen, die ich bewusst erzeuge, die ich aber, weil ich sie künstlich erschaffen habe, jederzeit auch wieder beheben kann.

Was passiert, wenn auf einmal ein Großteil der Mitarbeiter ausfällt? Ich möchte so eine Situation am besten Fall in einer stabilen Zeit antesten und nicht erst, wenn sie tatsächlich eintritt.

Wie gehe ich und mein Team damit um, wenn die Unternehmensführung eine sehr unpopuläre Entscheidung trifft, die für allgemeinen Aufruhr und Unruhe sorgt? Wäre es nicht besser, so etwas in einem Rollenspiel zu erleben, als im Extremfall dann komplett überfordert zu sein?

Solche Übungen funktionieren zweierlei: Erstens lernt die Führungskraft besser mit der Situation umzugehen, andererseits haben auch Mitarbeiter die Möglichkeit über ihr Verhalten zu reflektieren und zu überlegen, was angemessen war und was eventuell weit über die Strenge geschlagen hat.

Unternehmen, die diese beiden Punkte – kompetente, wertschätzende Führung und Sicherung der Zukunftsfähigkeit – erfüllen, sind aktuell weit weniger im Krisenmodus als der Rest der Branche.

 

 

Dinge, die wir aktuell tun können

Das Problem bei einem Streik ist, dass die Mitarbeiter das Gefühl haben bzw. der Meinung sind, das eigene Unternehmen will ihnen etwas vorenthalten, sie schlecht behandeln oder ausnutzen.

Wahrscheinlich spielen auch andere Überlegenen und Gedanken eine Rolle. Als Führungskraft bekommen wir diese meist mit.

Das Beste, dass wir im ersten Schritt tun können, ist, diese direkt anzusprechen: „Glaubt ihr, dass unser Unternehmen uns bewusst schlecht behandeln oder ausnutzen will?“

(Hint: Wenn du in einem Unternehmen arbeitest, in dem das der Fall ist, dann funktioniert das natürlich nicht, aber dann hat sich das Unternehmen bereits vorher sein Grab geschaufelt und wird aktuell zurecht bestreikt.)

 

Der Vorteil durch diese Herangehensweise ist, dass all die negativen Emotionen, Gefühle und Ängste, die sich alle irgendwo aufbauschen und nicht greifbar sind, ins Hier und Jetzt geholt werden.

In einen ordentlich geführten Betrieb wird die Antwort auf die obige Frage sein: Nein (vielleicht ein wenig verhalten, aber trotzdem nein).

Damit sorgen wir aber, dass etwas Ruhe einkehrt und vor allem lenken wir den möglichen Unmut dorthin, wo er hingehört: Außerhalb des Unternehmens.

Meine Erfahrung zeigt auch, dass in solchen Fällen oft Dinge zu Tage kommen, die komplett frei erfunden sind („Irgendwer hat irgendetwas irgendwann gesagt.“), die wir aber jetzt gezielt auflösen können.

Grundsätzlich gilt: Je länger Mitarbeiter sich gegenseitig aufschaukeln und durch diverse Aussagen seitens der Sozialpartner auf beiden Seiten aufgestachelt werden, desto eher droht die Situation nicht zur zu eskalieren, sondern auch bleibende Schäden zu hinterlassen – selbst, wenn das Verhandlungsergebnis für die Arbeitnehmerseite gut ausfällt.

Wichtig bei solchen Gesprächen ist, dass der Fokus auch auf ein Danach (!) gelegt wird. Ja, im Moment gibt es eine Auseinandersetzung. Ja, im Moment wird gestreikt und gedroht und jeder fühlt sich unfair behandelt. Aber: In spätestens ein paar Wochen ist die Situation vorbei und dann müssen wir alle an einem Strang ziehen, damit wir auch weiterhin Erfolg haben, unsere Ziele erreichen und unsere Arbeitsplätze sichern.

 

Zweitens ich mich als Führungskraft gut informieren. Wie sieht es tatsächlich um die Branche aus? Was spricht eindeutig für die eine, was für die andere Seite? Was sind die Nachteile der jeweiligen Vorschläge.

Entscheidungen werden dann als fair wahrgenommen, wenn sowohl die Nach- wie auch Vorteile beider Seiten hervorgehoben werden – sowol die kurz- wie auch die langfristigen. Dieses Wissen und dessen Kommunikation ist umso wichtiger, wenn eine Entscheidung getroffen wird, die sonst als unfair wahrgenommen werden würde.

Als Führungskraft kann ich dazu genau jene Situation nutzen, die mich eigentlich in diese Situation bringt: Ich sitze zwischen den Stühlen.

„Ich verstehe jeden, der eine faire Gehaltsanpassung möchte – ich will diese genauso. Gleichzeitig verstehe ich aber auch, dass, egal wie das schlussendliche Ergebnis der Verhandlungen aussieht, wir die Gehälter ohnehin nur zahlen und die Arbeitsplätze erhalten können, wenn wir unsere Ziele erreichen.“

 

Gruppendynamiken beobachten

In meinem Schwerpunkt „Effektiv verändern“ trainiere ich ein Werkzeug, dass sich speziell mit Gruppendruck und Gruppendynamiken beschäftigt, und wie ich als Führungskraft bewusst darauf einwirken kann.

Die Erklärung des gesamten Werkzeuges würde hier den Rahmen sprengen, aber ich möchte auch einen Tipp dazu an dieser Stelle geben.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass nicht alle Mitarbeiter für einen Streik oder komplett verärgert sind. Viele werden auch die andere Seite verstehen (vor allem, wenn sie gute Führungskräfte haben 😉).

Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass diese Mitarbeiter nicht durch den Gruppendruck kleingehalten oder auf die dunkle Seite der Macht gezogen werden („Zorn. Furcht. Aggressivität. Die dunklen Seiten der Macht sind sie. Besitz ergreifen sie leicht von dir.“ – Yoda).

Das bedeutet ich muss bewusst Situationen schaffen, in denen die positiv gestimmten Mitarbeiter die Mehrzahl bilden, sich austauschen und gegenseitig bestärken können.

Auch kann ich als Führungskraft speziell in dieser Zeit jene Personen herausstreichen, die eine gute Leistung erzielen, verlässlich sind oder das Unternehmen unterstützen.

Wir Menschen orientieren uns an dem, was unser Umfeld als richtig und normal empfindet. Wir können als Führungskräfte bewusst kleine Situationen erzeugen, die den Gruppendruck ein kleinwenig in Richtung neutral oder positiv verschieben.

Umgekehrt ist wichtig, dass Gruppen, in denen sich die Mitarbeiter gegenseitig stark aufschaukeln, aufbreche. Sei es dadurch, dass ich bewusst Projekte oder Aufgaben vorziehe oder hintenanstelle, wodurch unterschiedliche Gruppierungen zustande kommen oder gezielt an einzelnen Projekten teilnehme, damit die Stimmung dort nicht überhandnimmt.

Der Gruppendruck kann in einer solchen Situation sowohl für wie auch gegen uns arbeiten. Sorgen wir dafür, dass er uns nützt.

 

So, 1500 Wörter später hoffe ich, dass dir dieser Blog-Beitrag bei der aktuellen Situation und für ähnliche Situationen in der Zukunft hilft.

Wenn dies der Fall ist, dann wäre ich dir sehr dankbar, wenn du diesen Blog-Beitrag unter Kollegen und Bekannten teilst. So können diese ebenfalls davon profitieren und mir hilft es mehr Menschen zu erreichen.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg in dieser herausfordernden Zeit!

So long,

Stefan

 

*Das größte Dilemma bezeichne ich als die ultimative Gegensätzlichkeit: Eine Führungskraft muss voll für ihre Mitarbeiter da sein, ausgezeichnete Beziehungen zu ihnen aufbauen und sie unterstützen. Aber gleichzeitig muss sie auch die Ziele erfüllen, das Team antreiben, schwierige Gespräche führen und im extremen Fall Mitarbeiter kündigen.

Wie man dieses am besten löst, bearbeite ich in meinem Schwerpunkt „Spannungsfeld Führungskraft“.

– Autor –

Stefan Portrait

Stefan Delano

Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting

Send this to a friend