Balance zwischen Zielerreichung jetzt und später

In einem meiner Trainings behandeln wir das Werkzeug „Planung von kritischen Schritten“.

Dabei geht es primär darum, dass wir als Führungskräfte unseren Mitarbeitern eine Orientierung geben, wie sie sich in schwierigen Situationen verhalten und entscheiden sollen und was Priorität gegenüber etwas anderem hat.

Eines der Praxisbeispiele, die ich zu diesem Werkzeug gerne trainiere, handelt von einem Unternehmen, dass in massiven Liquiditätsnöten steckt und solche kritische Schritte ausgegeben hat.

Zwei Schritte davon sind (es gibt noch zwei weitere):

  • „Wenn es mehrere Lösungen für ein Problem gibt, wähle jenes, dass jetzt weniger Kosten verursacht, auch, wenn die andere Lösung langfristig besser oder günstiger wäre.“
  • „Wenn es mehrere Lösungen gibt, die jetzt gleich viel Kosten verursachen, wähle jene, die das Problem schneller löst, auch wenn es langfristig eine schlechtere Lösung ist.“

Bei diesen Antworten rümpfen meine Teilnehmer oft die Nase.

Wer will schon langfristig schlechtere Lösungen?

Ich erinnere sie dann daran, dass die Firma nicht langfristig denken kann, weil, wenn sie jetzt nicht unmittelbar Geld lukriert, es das Unternehmen langfristig nicht geben wird – die Top-Priorität ist schlicht und einfach Liquidität. Über das Später wird nachgedacht, wenn man bis dorthin überlebt.

 

Ähnliches spielt sich auch im Führungsalltag ab, wenn meist nicht so dramatisch.

Wir müssen immer zwischen der aktuellen und der langfristigen Zielerreichung abwiegen.

Es nützt nichts, wenn wir um jeden Preis die aktuellen Ziele verfolgen, damit wir am Ende des Jahres gut dastehen oder einen Bonus einheimsen – aber auf den Weg dorthin unsere Mitarbeiter verbrennen, einzelne kündigen oder wir die Ziele auf eine Art und Weise erreichen, die nächstes Jahr zu großen Problemen führen.

Zum Beispiel weil Maschinen nicht ausreichend gewartet wurden, sich falsche Prozesse etabliert haben, gegen die wir später ankämpfen müssen, die Zielerreichung nur durch Aufschub des Urlaubs erreicht wurden und nächstes Jahr die Mitarbeiter entweder krank sind, oder mehr Urlaub nehmen und dadurch die Zielerreichung unmöglich machen, usw.

 

Umgekehrt ist es genauso kontraproduktiv, wenn wir alles auf daraus ausrichten, in den nächsten Jahren erfolgreich zu sein und das Hier und Jetzt außer Acht lassen.

Weil, ähnlich wie im Beispiel mit der Liquidität, es sonst passieren kann, dass wir das Später gar nicht mehr erreichen, oder in einer Form erreichen, die die Kosten des Jetzt, nicht aufwiegen.

Ich habe oft genug erlebt, dass eine Beförderung anderweitig vergeben wurde, weil ein Team im aktuellen Jahr die Ziele nicht erreicht hat.

Im nächsten Jahr waren diese Teams dann zwar oft Überperformer, aber da gab es leider keine offene Stelle für eine Beförderung mehr.

Oder die mangelnde Zielerreichung dieses Jahr hat dazu geführt, dass es fürs nächste Jahr Einschnitte beim Budget, der Weiterbildungen oder anderen Dingen gegeben hat, die den Erfolg maßgeblich negativ beeinflusst haben.

Die einzige Ausnahme ist jene, wenn das Unternehmen sich bewusst zu diesem Schritt entschließt und bereit ist, aktuelle Stagnation für zukünftigen Erfolg in Kauf zu nehmen – aber selbst dann, ist meiner Erfahrung nach mit Vorsicht zu agieren.

 

Als Führungskräfte müssen wir daher eine Balance finden, zwischen der aktuellen und der langfristigen Zielerreichung.

Die Tätigkeiten für die aktuelle Zielerreichung sind oft leichter zu erkennen und schneller handzuhaben.

Wir müssen uns dabei aber immer fragen: Welchen Preis zahle ich dafür morgen, in einen Monat, nächstes Jahr oder in zwei Jahre?

Umgekehrt müssen wir uns auch die Frage stellen, ob wir bewusst eine etwas geringere Zielerreichung für mehr Erfolg in der Zukunft in Kauf nehmen.

Ein gutes Beispiel dafür wäre die Einführung eines neuen Standardprozesses.

So etwas dauert Zeit (sowohl Schulung wie auch alle an Board zu bekommen) und liefert oft nicht sofort die Ergebnisse, die man sich wünscht.

Deswegen kommt es während der Einführung oft zu Schwierigkeiten, Verzögerungen und geringerer Produktivität.

Ist der Prozess jedoch erfolgreich etabliert, trägt er maßgeblich zur Zielerreichung bei (sofern es ein guter Prozess ist 😉). Das geschieht meist aber erst ein paar Monate später.

 

Umgekehrt ist es oftmals notwendig, seine Mitarbeiter anzutreiben, um aktuelle Ziele zu erreichen.

Dies kann zwar dazu führen, dass spätere Tätigkeiten etwas mühsamer, oder mit „weniger Enthusiasmus“ stattfinden, aber trotzdem notwendig sein.

Frage dich selbst, wohin du eher tendierst? Zu sehr auf das Jetzt oder zu viel aufs Später?

 

Meiner Erfahrung nach denken Führungskräfte in der Regel zu kurzfristig und sind nicht bereit aktuelle Zielerreichung für den größeren Erfolg später hintenanzustellen.

Da wird ein Mitarbeiter nicht ausreichend eingeschult und/oder notwendige Strukturen geschaffen, weil es jetzt zu viel Zeit kostet.

Gleichzeitig kämpft man aber in ein paar Wochen hauptsächlich mit Problemen und geschehenen Fehler, die man eben dadurch hätte verhindern können.

 

Eines ist aber klar: Die perfekte Balance wird man nie finden. Es wird immer wieder ein wenig zu viel in die eine oder die andere Richtung ausschlagen.

Das macht aber nichts. Solange wir uns dessen bewusst sind und proaktiv dafür sorgen, dass das Pendel wieder ein wenig in die andere Richtung schwenkt, sind wir auf einen guten Weg.

 

P.S.: Über je mehr Kompetenzen und Werkzeuge eine Führungskraft verfügt, desto leichter schafft sie es natürlich auch, diese zwei Aspekte in Balance zu halten.

Erstens, erkennt sie leichter, wenn ein Aspekt vernachlässigt wird, zweitens kann sie viel schneller und effektiver darauf reagieren.

– Autor –

Stefan Portrait

Stefan Delano

Gründer von
Delano Training, Coaching & Consulting

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